Wo lässt sich in Niedersachsen eine ägyptische Pyramide neben einem griechischen Tempel entdecken?
Wer hielt englische Tee-Zeremonien ab und ließ sich in einem Mausoleum bestatten?
In diesem Beitrag stellen wir den Laves-Kulturpfad vor: Ein idealer Tagesausflug in die Hildesheimer Börde.

Länge: 2,5 km

Dauer: 1 Stunde

Start & Ziel: Das Glashaus

Anreise: Eisenbahn bis Bhf. Derneburg, Auto A7 Ausfahrt Derneburg

Reisezeit:

Laves-Kulturpfad

Die Geschichte von Derneburg beginnt mit einem Mord im Auftrag von Graf Hermann I. von Winzenburg an seinem Vasallen Burchard I. von Loccum. Als Sühne für diese Tat wurden ihm 1130 alle Würden und Lehen entzogen. 1143 übergaben seine Nachfolger den Hof in Derneburg dem Bischof Bernhard von Hildesheim mit dem Wunsch, dass dort kirchliche Maßnahmen ergriffen werden sollten. Erst 1213 wurde Derneburg an den Konvent der Augustiner-Nonnen aus Holle übergeben. In den nächsten 100 Jahren erlebte das Kloster eine enorme Macht- und Besitzerweiterung, gefolgt von wirtschaftlichen Problemen und einem Verfall der klösterlichen Sitten im 14. und 15. Jahrhundert.

Im 17. Jahrhundert wurde das Kloster im Zuge der Reformation in ein lutherisches Kloster umgewandelt, wechselte jedoch mehrmals zwischen weltlichen und kirchlichen Besitzern. Die Zisterzienser-Mönche, insbesondere Abt Arnu, legten den Grundstein für den späteren Reichtum von Derneburg, indem sie die barocke Klosterkirche und landwirtschaftliche Gebäude errichteten. Nach finanziellen Problemen und dem Versuch, Gold herzustellen, wurde das Kloster 1803 aufgelöst und von Graf Ernst zu Münster erworben. Die Klosterkirche wurde später von Laves im romantischen Schlossstil umgebaut.

Die Familie Münster behielt das Gut bis ins 20. Jahrhundert, durchlebte jedoch wirtschaftliche Herausforderungen, insbesondere während des Ersten Weltkriegs und nach dem Zweiten Weltkrieg. Kunst- und Landverkäufe waren notwendig, um Schulden zu begleichen. In den 1970er Jahren verkaufte die Familie Münster den Besitz an den Künstler Georg Baselitz. Nach Baselitz kam das Schloss 2006 in den Besitz des amerikanischen Kunstsammlers Andrew Hall, der es umfassend sanierte und für Ausstellungen umgestaltete. Die Hall Art Foundation präsentiert nun sowohl die Kunstsammlung von Andrew Hall als auch internationale Kunstausstellungen in Derneburg.

Das Glashaus

Der Architekt Laves entwarf ein Gewächshaus für die Schlossgärtnerei, das in die Gesamtstruktur von Derneburg integriert werden musste. Das Gewächshaus erfüllt das klassizistische Bedürfnis nach flächiger Gestaltung und besteht aus drei Teilen, wobei die einzige Verzierung die gusseiserne Ornamentik der Stützsäulen ist.

Ursprünglich diente der westliche Teil als Feigenhaus, der mittlere Teil beherbergte die Heizungsanlage, und der östliche Teil war das Weinhaus. Im Laufe der Zeit wurde das Gebäude aufgrund der ständigen Nutzung als Gewächshaus und den damit verbundenen Reparaturen stark verändert.

Durch die Sanierung und den Umbau zu einem Kultur- und Veranstaltungszentrum wurde die ursprüngliche Struktur wiederhergestellt. Das Gebäude ist nun in drei Teile unterteilt: In der Mitte befindet sich das “Café im Glashaus”, das alte Weinhaus beherbergt einen Ausstellungsraum, und das ehemalige Feigenhaus wurde zu einem Veranstaltungsraum umgestaltet. Hier ist eine Dauerausstellung über die Zusammenarbeit von G.L.F. Laves und Ernst zu Münster sowie über die historischen Hintergründe des Derneburger Landschaftsgartens zu sehen. Das Glashaus wird für Kunstausstellungen, Konzerte, Lesungen, Theaterveranstaltungen und verschiedene Kulturfestivals genutzt.

Adresse:
Schlossstraße 17
31188 Holle/OT Derneburg

Anreise:
Mit der Bahn bis Bahnhof Derneburg oder mit dem Auto über die A7 Abfahrt Derneburg. Parkmöglichkeiten am Schloss Derneburg bieten einen bequemen Ausgangspunkt.

Öffnungszeiten:
Der Pfad steht das ganze Jahr über offen. Ein besonderes Erlebnis bieten Frühling und Herbst, wenn die Natur ihre ganze Pracht entfaltet.

Führungen:
Samstags und Sonntags findet eine einstündige historische Führung über das Schlossgelände statt. Tickets hierfür können zusätzlich zu einem Eintrittsticket für das Museum oder die Parkanlagen erworben werden.
Nach Absprache sind auch private Gruppenführungen innerhalb der regulären Öffnungszeiten möglich.

Kostenlose Kunstführungen durch ausgewählte Ausstellungen finden dreimal täglich während der Öffnungszeiten statt.

Laves-Kulturpfad, © OpenStreet Map
Der Griechische Tempel

Als erstes Projekt im Derneburger Landschaftsgarten errichtete Laves im Jahr 1827 einen dorischen Tempel auf dem Donnerberg, der der Verehrung der griechischen Kultur gewidmet war. Der Tempel zeichnete sich durch die charakteristische Struktur der griechischen Architektur aus, mit tragenden Säulen und einem lastenden Gebälk ohne Wölbungen. Die dorische Säule hatte im Vergleich zur ionischen keine Basis und ein schlichtes Kapitell mit einem wulstförmigen Ring und quadratischer Deckplatte.

Ursprünglich war der Zugang zum Tempel durch eine von Eichen gesäumte Allee auf der Rückseite ausgerichtet, die jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg gerodet wurde. Der Tempel stand frei von Bewaldung und bildete eine Blickachse mit dem Schloss. Vor dem Tempel befand sich ein Denkmal von 1752, das Josef mit dem Christuskind zeigte, was ikonografisch ein seltenes Motiv ist. Diese Statue verschwand ebenfalls in der unruhigen Nachkriegszeit. Der Tempel, auch als Teetempel bekannt, diente dem Grafen als Aussichtspunkt, um den Besuchern seine Gartenanlagen und Besitzungen zu präsentieren. Im Inneren des Tempels gab es ein Kaminzimmer, in dem Graf Münster wahrscheinlich auch die englische Tradition des Teetrinkens pflegte.

Das Mausoleum

Im Jahr 1839 erhielt der Architekt Laves den Auftrag, ein angemessenes Grabmal für den verstorbenen Grafen Ernst zu Münster zu entwerfen. Dabei konnte er endlich eine wiederkehrende Idee in seinen Entwürfen umsetzen: die ägyptische Steilpyramide. Die klaren und symmetrischen Formen der ägyptischen Baukunst waren im Klassizismus beliebt. Laves hatte während seiner Studienzeit genaue Zeichnungen ägyptischer Bauwerke und Plastiken angefertigt. Die Derneburger Pyramide, etwas über 11 Meter hoch mit einem Böschungswinkel von 61 Grad, trug das Münstersche Wappen an einer Tür, die von einem ägyptischen Rundstab umgeben war. Der Eingang war mit einer ägyptischen Hohlkehle verziert. Trotz der ägyptischen Einflüsse blieb das Mausoleum durch ein großes Kreuz über dem Eingang als christliche Begräbnisstätte erkennbar. Die steinerne Tür trug ursprünglich eine Grabinschrift, die den Freimaurern zugeordnet wurde.

Die Pyramide beherbergt die Särge von Graf Ernst zu Münster, seiner Frau und ihren Töchtern. Neben der Pyramide ruhen auch sein Sohn Fürst Georg Herbert Münster, seine älteste Tochter Marie und eine weitere Tochter des Grafen. Vor der Pyramide sind die Grabstätten der folgenden Generationen der Familie zu Münster, darunter Alexander Fürst zu Münster, sein Frau Muriel und ihr ältester Sohn Friedrich Graf zu Münster, bekannt als Graf Freddy. Ein keltisches Hochkreuz auf dem Grabmal der Fürstin Muriel weist auf ihre schottische Herkunft hin.

Die Lavesbrücke

Der Klassizismus trat in Europa zeitgleich mit den ersten Anzeichen der Industrialisierung auf, und in Derneburg fand diese Ära ihren baulichen Ausdruck in den von Laves entworfenen Brücken. Im Gegensatz zu seinen traditionellen Bauwerken repräsentieren die Brücken, ebenso wie das Glashaus mit seiner Gusseisenkonstruktion, eine Abkehr von der Vergangenheit.

Das innovative Konstruktionsprinzip, auch als “Lavesbalken” bekannt, ermöglichte den Ausgleich von Druck- und Zugkräften in einem Tragesystem. Dabei wurde der Tragbalken längs aufgeschlitzt, die Enden fest miteinander verbunden, und die obere (Druckgurt) und untere (Zuggurt) Balkenhälfte auseinandergespreizt. Dies erlaubte eine filigrane Bauweise für das Überspannen längerer Strecken. In Derneburg wurden 1838 drei Brücken nach Laves’ Plänen gebaut: eine breite Fahrbrücke und eine Laufbrücke mit Wassergerinne, beide aus Eichenholz, sowie eine schmiedeeiserne Fußgängerbrücke über die Nette. Nur die Fußgängerbrücke überstand das 19. Jahrhundert, wurde jedoch 1946/47 durch Hochwasser zerstört.

Im Jahr 1992 ermöglichte die Gemeinde Holle mit Unterstützung des Landschaftsverbandes Hildesheim e.V. den Wiederaufbau der Fußgängerbrücke. Obwohl sie nicht am ursprünglichen Standort errichtet werden konnte, da dies den denkmalpflegerischen Vorgaben widersprach, vermittelt die rekonstruierte Brücke, die heute über einen Seitenarm der Nette führt, einen Eindruck, der dem Original sehr nahekommt.

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