Route von Oanes nach Øvre Eidfjord
(ca. 320 km)
Unser Ziel ist ein Stellplatz unterhalb des Preikestolen. Hübsch gelegen und sogar mit kleinem Wasserfall und Badestelle, beziehen wir hier Quartier, um am nächsten Morgen – nein, für uns mitten in der Nacht! – um 5 Uhr aufzustehen. Unser Ehrgeiz ist von dem Wunsch geschürt, die angekündigte atemberaubende Aussicht vom Preikestolen über die Fjordlandschaft in Ruhe genießen zu können.
Und unser Wunsch ging in Erfüllung! Der anspruchsvolle Wanderweg führt uns entlang kleiner plätschernder Bäche, auf Holzbohlenwegen über Sümpfe hinweg und auf treppenartig angelegten Felsblöcken, teils sehr steil mit Hilfe von Seilen, hoch auf den Fjordrücken des Lysefjords, dem Moslitfjell. Tatsächlich erinnert die Berglandschaft hier oben an die Rücken von Riesen, oder von riesigen Walen. Die von den Eiszeit-Gletschern glattgeschliffenen Kuppen, geologisch Fjell genannt, liegen vor uns, als hätten sie ihr eigenes Geheimnis, von ungeahnten Mächten erschaffen. Und so ist es ja schließlich auch.
Dann ist es soweit: der Preikestolen liegt vor uns. Uns bleibt die Luft weg- des Atems beraubt, ehrfürchtig und andächtig staunen wir sprachlos und blicken zwischen der unfassbaren Weite und der schwindelerregenden Tiefe, immerhin 604 m, hin und her. Spätestens jetzt ist klar, warum der Preikestolen eben auch Predigerkanzel genannt wird! Zwischen Himmel und Erde ist hier einer der eindruckvollsten Orte auf diesem Planeten. Die Sherpas, die 2016 aus dem Himalaya eingeflogen wurden, um den Weg auszubauen, kennen dieses Gefühlt mit Sicherheit. Das schnelle Spiel von Sonne, Wind und Wolken schenkt uns ein kontrastreiches Licht und lässt die blanken, gigantischen Felsrücken in der Sonne auch noch weit entfernt glitzern. Der Wind bläst hier oben so stark, dass wir Kamera und Smartphone sehr fest halten müssen, damit sie uns nicht aus den Händen wehen. Wir können einige Eindrücke festhalten, und doch geben sie nicht das wieder, was wir hier oben sehen.
Nach und nach füllt sich der Preikestolen, es geht auf 09:00 Uhr zu und wir beschließen, den Rückweg anzutreten. Gut so, wie sich herausstellt, denn die Massen an Leuten, die uns entgegen kommen, machen es zunehmend schwer, vorwärts zu kommen. Zumal einige Leute versuchen, in FlipFlops hoch zu kommen und rutschend auch andere gefährden.
Unten angekommen, sind wir noch immer ergriffen und erfüllt von diesem anders gearteten Weitblick auf den Horizont, als wir ihn zuvor noch an der Küste erlebten.
Auf der Landschaftsroute „Ryfylke“ von Oanes nach Sauda
Weiter geht’s durch Fjordnorwegen! Wir entscheiden uns, die Landschaftsroute „Ryfylke“ von Oanes nach Sauda zu fahren. Vom Preikestolen aus nehmen wir also zunächst die Straße 523 bis Tau. Den mit 14,3 Kilometern aktuell längsten Unterwassertunnel (292 m unter n.N.!) der Welt, der Ryflketunnel, lassen wir staunend links liegen und nehmen Kurs auf die E 13 zur Fähre in Hjelmeland. Wir setzen nach Nesvik über und sind mal wieder fasziniert über die völlig problemlose Über- und Weiterfahrt auf der E 13 – für die Norweger eben eine alltägliche Mobilitätsform, Fähren, Tunnel und Brücken auf wenigen Kilometern gehäuft zu nehmen. Für uns als Norwegen-Frischlinge ist es in Kombination mit den mächtigen Fjorden aufregend! Die Route führt uns erst entlang des Jøsenfords und dann weiter an den Erfjord. In dem kleinen Örtchen Erfjord entdecken wir unten am Fjordufer einen kleinen und schönen Stellplatz, wo wir die herrliche Aussicht auf den Fjord genießen- auch wenn es die meiste Zeit regnet.
Svandalsfossen: mitten durch den Wasserfall
Nach der Fährüberfahrt in Sand geht die Landschaftsroute Ryfylke entlang des Saudafjords weiter auf der Straße 520 in Richtung Sauda. Kurz vor Sauda erleben wir ein Naturschauspiel hautnah: da es hier viel geregnet hat, stürzt sich der Svandalsfossen mit einer tosenden und Gischt sprühenden Wasserwelle über die Straße in den Saudafjord. Die angekündigte Polizei, die bei hohem Wasserstand normalerweise den Verkehr regelt, ist nicht da, also fahren wir notgedrungen blindlings in den Wasserfall hinein- und sehen nichts. Zum Glück kommt uns kein Fahrzeug entgegen, so dass wir nach dem Schreck in die Haltebucht einbiegen, die uns wie durch ein Wunder erscheint, und holen erstmal Luft. So entdecken wir, dass man dieses Schauspiel mit Treppen bis oben hin erklimmen und erleben kann. Welch eine Naturgewalt!
Abenteuerfahrt von Sauda nach Røldal
Ab Sauda führt die Landschaftsroute „Ryfylke“ auf der 520 weiter nach Røldal. Die Route führt durch die Hochebene der Etne Sauda, die landschaftlich als die kleine Schwester der Hardangervidda gesehen werden kann. Für Wohnmobile empfehlen wir, diese Route nur bis zum Parkplatz mit WC zu fahren. Bis dahin taucht man in eine grandiose Flusslandschaft ein, in der sich der Fluss Storelva wild und tief in das Gebirge gräbt. Am Parkplatz kann man Halt machen, um bei einer Wanderung die historischen Zinkgruben zu besichtigen und die Landschaft zu erleben. Die Weiterfahrt auf der Route können wir für Wohnmobile wie unseres (2,30 m breit, 6,40 m lang) nicht empfehlen. Die Straße ist gerade mal so breit, dass das Fahrzeug drauf passt, sehr kurvenreich und damit für uns schwer zu fahren. Die Ausweichbuchten sind rar gesät, so dass entgegenkommenden PKW gerade mal so, weiteren Wohnmobilen aber nicht ausgewichen werden kann. Mehrere hundert Meter rückwärts fahren ist schweißtreibend. Bei so viel Nervenkitzel bleibt die neblig-mystische, karge Felslandschaft am Rande unserer Wahrnehmung, doch erinnert sie uns an die Landschaft im Film „Highlander“. Sehr erleichtert erreichen wir endlich Røldal und entscheiden uns für eine entspannte Nacht auf dem Campingplatz mit Waschmaschine und Trockner.
Gletscher, Fjorde, Cidre: Die Hardanger-Region und ihre Schätze
Wasserfall „to go“: Der Låtefossen an der E 13
Auf der E 134 und weiter auf der E 13 fahren wir von Røldal nach Odda. Ca. 12 km vor Odda liegt der Låtefossen. Man kann ihn doppelt genießen! Als Zwillingswasserfall fällt er aus 165 m Höhe herunter und hat dann seinen Weg aus der großen Hardangervidda hinter sich. Schon im 19. Jh., als Odda ein beliebter Ort für wohlhabende Touristen war, wurden diese mit Pferdekutschen hierher gefahren. Heute muss man Glück haben, am vorhandenen Parkplatz parken zu können – sonst nimmt man den Låtefossen „to go“ mit.
Die Stadt Odda liegt am Ende des Sørfjords, einem Seitenarm des majestätischen und reich verzweigten Hardangerfjords, und damit im Herzen der Region Hardanger. Im Osten wird der Sørenfjord vom riesigen Gletscher Folgefonn und dem dazugehörigen Folgefonna- Nationalpark flankiert, westlich thront die mächtige Hochebene Hardangervidda, ebenfalls als Nationalpark, über dem Fjord. Somit ist Odda ein sehr guter Ausgangspunkt für Entdeckungen und Wanderungen. Hier tummeln sich Wohnmobile und CamperVans, Backpacker-, Wander-, und Radtourist*innen. Schnell wird klar, dass hier zwei HotSpots „gemacht“ werden müssen: Buerbreen und Trolltunga. Wir zählen uns nicht zu den HotSpot- Jagenden und haben am Preikestolen schon versucht, den Massen auszuweichen. Und weil der Weg zur Trolltunga für uns recht lang und anspruchvoll ist, entscheiden wir uns für die Wanderung zur Buerbreen-Gletscherzunge.
Wanderung zur Buerbreen- Gletscherzunge
Straße zum Wanderweg:
Den Wanderweg zur Gletscherzunge erreicht man vom Parkplatz am Weiler Buer. Der Parkplatz ist kostenpflichtig (185 NOK nur mit Kreditkarte, Achtung: keine EC-Karte!), dafür kann man dort mit dem Camper über Nacht stehen. Die Straße dorthin ist 3 km lang, einspurig und nur spärlich mit Ausweichbuchten versehen. Für größere und lange Wohnmobile ist die Strecke ungeeignet, es sei denn, ihr könnt bei Bedarf mehrere hundert Meter rückwärtsfahren. Da unser Campingplatz am Ortsausgang von Odda in Richtung Buer liegt, entscheiden wir uns, die 3 km bis zum Parkplatz hoch zu laufen. Das Restaurant beim Hof Buer am Parkplatz bietet uns eine willkommene Stärkung mit ofenfrischen Zimtschnecken, so dass wir nach kurzer Rast die Wanderung antreten.
Wanderweg zum Buerbreen:
Es ist eine anspruchsvolle Wanderung und je nach Kondition werden für die gesamte Wegstrecke von 5,6 km 3-4 Stunden hin und zurück benötigt. Der erste Teil führt durch ein wunderschönes Moos- Wäldchen und über kleine Brücken. Im weiteren Verlauf wird der Weg schwieriger, wir klettern über Felsstufen, ziehen uns an Seilen über größere Felsen hoch und laufen über kleine Hängebrücken. Besonders ab der großen Hängebrücke wird es knifflig. Trittsicherheit und festes Schuhwerk mit Profil sind unbedingt erforderlich. Zwischendurch genießen wir den Blick zurück ins Tal mit phantastischer Aussicht. Dann endlich haben wir das Ende der Gletscherzunge erreicht: ein grandioser Anblick, und tosend rauscht der Gletscherbach an uns vorbei. Wir lassen den Ort auf uns wirken und sind ganz gebannt. Bis vor 100 Jahren stieß der Gletscher noch bis zu den Höfen heran. Laut Info-Tafel am Parkplatz wuchs der Gletscher in den letzten 6-8 Jahren um mehr als 100 Meter. An die Gletscherzunge kommt man aber trotz allem nicht mehr heran: mit der Klimaerwärmung zog sich der Gletscher insgesamt so weit zurück, dass man nur mit Guide an die Kante herantreten kann.
Odda und der Netflix-Stein
In unserer Recherche hatten wir entdeckt, dass es in Odda den Netflix-Stein gibt. Netflix-Stein… wie bitte? Odda ist Drehort der Netflix-Serie „Ragnarök“, in der die nordische Mythologie in der heutigen Zeit spielt und die Riesen gegen die Götter antreten. Passenderweise ist Odda in der Serie in Edda umbenannt. Drehorte wie z.B. die vorgelagerte Fabrik, den Grill-Imbiss (genannt „Edda´s Grill“) und einige Straßenzüge in der Serie zu sehen und gleichzeitig vor Ort zu sein, ließ uns noch einmal anders in diese Gegend eintauchen. Und es bestätigt sich: in Norwegen geht es mythisch zu. Die Bergrücken über den Fjorden sind also doch liegende Riesen!
Ihr findet den Netflix-Stein beim Parkplatz auf der Westseite der Hafenbucht auf dem kleinen Grünstreifen.
Cidertour auf dem Sørfjord zur „Aga Sideri“
Auf der Suche nach einer Schiffsfahrt auf dem Sørfjord ab und bis Odda stoßen wir auf die Cidre-Safaris. Man bucht bequem online (Link siehe unten) eine Fahrt mit dem Schiff zum gewünschten Ort am Fjord inklusive Führung, Verköstigung und Snack der jeweiligen Cidre-Farm und zurück.
Cidre? Obstfarm? Hier in Norwegen? Haben wir nie mit Norwegen assoziiert und kommt für uns unerwartet.
Wir entscheiden uns also spontan für eine Fahrt auf dem Sørfjord nach Aga, Dauer ca. 45 Minuten ein Weg, zur Aga Sideri. Wasserfälle, Adler, Schnee- und Gletscherfelder und die Obsthänge vom Wasser aus zu sehen, ist eine beeindruckende Perspektive. In Aga werden wir vom Cidre- Farmer am Schiffssteg erwartet. Die „Aga Sideri“ liegt direkt am Steg und es geht unmittelbar los. Das junge Unternehmen zeigt sich sehr sympathisch, experimentierfreudig und innovativ. Wir probieren sehr aromatische Cidre-Sorten und freuen uns über unseren spontanen Ausflug und den überraschenden Blick hinter die Kulissen der Cidre-Herstellung. Wir hören spannende Geschichten und Anekdoten über einige Cidre-Kompositionen und tauchen in die Welt des „flüssigen Goldes“ ein. Nach ca. 1,5 Stunden legt das Schiff wieder an und holt uns ab für die Fahrt zurück nach Odda. Unbedingt empfehlenswert!
Obstdörfer am Sørfjord: Fahrt von Odda nach Øvre Eidfjord
Wir sind neugierig geworden und möchten noch mehr über den Obstanbau und die Cidre-Herstellung erfahren. Wir beschließen, am Fjord entlang durch die Dörfer zu fahren, und nach einem Abstecher in Øvre Eidfjord nach Ulvik zu fahren- ebenfalls in der Region bekannt für die Cidre-Herstellung.
Die E 13 können wir die Aussicht auf den Fjord genießen und halten im hübschen Örtchen Lofthus, das als Zentrum der Obstwirtschaft angesehen wird. Kein Wunder, hier werden 80% der norwegischen Kirschen geerntet! Von dort führt oberhalb der Straße ein Weg von ca. 3 km Länge durch die Obsthänge zum Freilichtmuseum „Skredhaugen“. Auf dem Weg dorthin genießen wir die wunderschöne Aussicht über den Fjord und erfahren noch mehr über den Obstanbau:
Die Hardanger-Region ist der Obstgarten Norwegens. Im geschützten, milden Klima des Hardangerfjords und seiner Nachbarfjorde wird seit ca. 1000 Jahren Obst angebaut: vornehmlich Äpfel, aber auch Pflaumen, Kirschen und Birnen. Mit dem Gartenwissen der englischen Mönche, die mit der Christianisierung nach Norwegen kamen, entwickelten sich nicht nur die Anbaumethoden, sondern auch die Möglichkeiten der Weiterverarbeitung. Schließlich waren sie Meister in der Fruchtgärung und wussten, wie man Äpfel in „flüssiges Gold“ verwandelte!
Das Freilichtmuseum „Skredhaugen“ ist eine kleine Ansammlung von wiederaufgebauten, typischen Gebäuden und Einrichtungsgegenständen. Es liegt idyllisch mit Blick auf den Fjord und eine kleine Ziegenherde begleitet den Besuch.
Wir nehmen weiter Kurs auf der E 13 nach Eidfjord und werden im Tunnel von einem Kreisverkehr überrascht: blaue Beleuchtung, riesiger Kreisel – sofort fühlen wir uns auf die Voyager gebeamt! Und weil wir so abgelenkt waren, haben wir glatt vergessen, auf die E 7 nach Eidfjord abzubiegen.
Das kleine Städtchen Eidfjord ist ein beliebtes Ausflugsziel und liegt charmant am Fjordufer. Wir fahren weiter nach Øvre Eidfjord, hübsch gelegen am Ende des Eidfjordvatnet. Der Campingplatz liegt direkt am Seeufer und schenkt uns einen traumhaften Blick auf die Berge.
In Øvre Eidfjord gibt es das „Norwegische Naturzentrum Hardanger“, eine interaktive Ausstellung zu den Themen Klima, Umwelt, Natur. Hier erfahrt Ihr vieles über die Eiszeiten, die ersten Besiedelungen, Kulturtechniken, Minerale, Elche usw.
Ulvik
Das Städtchen Ulvik liegt idyllisch am Ende des Ulvikfjords und ist umgeben von fruchtbaren Obsthängen. In klimatisch geschützter Lage haben sich hier mehrere Cidre-Farmen mit der Obst- und Cidreroute zusammengeschlossen. Auf dem leichten Wanderweg durch die Obsthänge könnt Ihr die Obsthöfe Ulvik Frukt & Cideri, Syse Gard und Hardanger Saft- og Siderfabrikk besuchen.
Auf Syse Gard befindet sich ein Café und ein Hofladen mit einem großen Vorrat an frischem und konserviertem Obst, Likör, Säften, hausgemachtem Eis und vielen anderen Leckereien – darunter die beliebten Kandisäpfel.
Bei unserer Wanderung durch das herrlich duftende Obst lassen wir die Drohne über das stille Fjordufer fliegen und weil wir so entzückt sind über diese Landschaft, stürzt die Drohne in einen Baum. Leider ist ein Propeller defekt, weshalb uns dieser Absturz noch einigen Schweiß kosten wird.